FRG. Seit 4 Jahren bietet der Caritasverband Freyung-Grafenau bei Scheidung und Trennung ein entsprechendes Training zum Kommunikationsverhalten zwischen Eltern und zum Umgang mit den Kindern an.
In der Erziehungs-, Jugend- und Familienberatungsstelle ließen sich Aloisia Rothenwührer und Stephan Unbehagen zu dem wissenschaftlich begleiteten Programm als KiB-Coaches ausbilden.
Sechs Staffeln des Trainings haben beide im Team seither begleitet, ihr Resümee:
Die Elternschulung bietet die Möglichkeit, sich aus der eigenen persönlichen Situation zu bewegen, von der Erfahrung anderer zu profitieren und so den notwendigen Kompass für die Zukunft zu finden.
Wut, Schuld, Existenzängste, Mitleid, Trauer - vielfältig und gemischt sind die Gefühle, die nach einer Trennung auf ein ehemaliges Paar einströmen.
Das soziale Umfeld und die erweiterten Familiensysteme tun das Übrige. Das schwierige an einer Trennung mit Kindern ist: Den Kontakt zwischen den früheren Partnern zu erhalten, denn sie haben eine gemeinsame Aufgabe zu erfüllen: Eltern bleiben! "Einerseits ist jeder froh die Trennung endlich hinter sich gebracht zu haben", schlussfolgert Aloisia Rothenwührer, "sich in ein anderes Leben endlich begeben zu können. Andererseits stelle ich immer wieder fest, dass gerade hier die ‚Crux‘ liegt."
Die Erwachsenen können oder wollen sich aus einer gemeinsamen Paarebene nicht verabschieden. In "Endlosschleifen" werden lautstark Konflikte und Schuldzuweisungen ausgelebt. Die Kinder haben ein feines Gespür für die Beziehung zwischen ihren Eltern und leiden darunter. Beim KiB ("Kinder im Blick")—Training geht es genau darum: die Mechanismen für Eskalationen unter den "Großen" zu erkennen, Hilfestellung anzubieten, damit diese erst gar nicht ausbrechen - vergleichbar einer Achterbahn: Auf Reaktion folgt Gegenreaktion - und jeder ist der Meinung, der andere hätte angefangen. Die KiB-Schulung will helfen diesen Beschleunigern endlich Einhalt zu gebieten.
Negative Kommentare vermeiden, das eigene Anliegen im Auge zu behalten. Beim Emotions-Coaching werden die "Pausenknöpfe" vermittelt, die helfen sich selbst zu beruhigen. "Es gelten hier einfache und klare Kommunikationsregeln", erklärte Stephan Unbehagen. "So funktioniert es: Zusammenfassen, was man verstanden hat. Inneren Kommentaren ist man nicht hilflos ausgeliefert. Beim Sprechen das eigene Anliegen beschreiben und dabei Vorwürfe vermeiden. Hilfreich auch: Sich nur auf ein Thema konzentrieren - Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut!"
Veranschaulicht werden diese Empfehlungen von einer Reihe von Beispielen, wie etwa eine nach Paul Watzlawick: "Frau Huber benötigt einen Hammer, um das neu gekaufte Bild aufhängen zu können, findet ihn aber nicht. Frau Huber fällt ein, dass der Nachbar zuhause sein müsste und sicher einen Hammer hat, weil der Nachbar immer viel werkelt. Allerdings ist Frau Huber unsicher, ob der Nachbar seinen Hammer verleiht. Der Nachbar grüßt selten, wenn sie sich im Treppenhaus treffen, und macht immer einen ‚zugeknöpften‘ Eindruck. Frau Huber beginnt sich zu ärgern, denn sie könnte den Hammer jetzt wirklich gut brauchen. Außerdem findet sie, dass es eigentlich zu normalen Nachbarschaftsdiensten gehört, einen Hammer zu verleihen. ‚Sehr mies, wenn man nicht mal seinen Hammer verleiht‘, sagt sich Frau Huber und gerät immer mehr in Rage. Außerdem beginnt Frau Huber sich zu fragen, wieso gerade sie nicht den Hammer bekommen sollte. Hat sie dieses Misstrauen verdient? Schließlich stürzt Frau Huber zur Tür, klingelt beim Nachbarn und herrscht ihn an: "DANN BEHALTEN SIE DOCH IHREN BLÖDEN HAMMER!". "Spätestens dann verstehen alle Kursteilnehmer, was der negative Kommentar bewirken kann - mit jedem von uns", schilderte der Dipl. Soz. Pädagoge seine Wahrnehmung.
In der KIB-Elternschulung geht es aber selbstverständlich nicht nur um das Miteinander des getrennten Paares. Auch die stressige Situation für die Kinder erfährt in den sieben Einheiten besonderes Augenmerk: "Beschreibendes Lob und bei unangenehmen Gefühlen zur Seite springen", so Aloisia Rothenwührer, "ist für eine tragfähige Beziehung zum Kind unabdingbar. Das heißt aber auch die Beziehung des Kindes zum anderen Elternteil zu respektieren."
Wenn also negativ über den anderen Elternteil gesprochen wird, fühlen sich die meisten Kinder selbst negativ beurteilt: Schließlich sehen sie sich je zur Hälfte dem Vater und der Mutter zugehörig.Das ist zwar altersabhängig, aber strahlt oft noch bis ins Erwachsenenalter aus.
Wichtig ist auch das Selbstwertgefühl des Kindes zu stärken: Wenn das Kind etwas "leistet", etwa den Frühstückstisch deckt, immer beschreiben was man sieht - wie schön der Tisch gedeckt ist, was für tolle "Goodies" sich das Kind ausgedacht und vorbereitet hat. "Lob tut gut: Es streichelt die Seele. Je anschaulicher umso besser!", so der Trainings-Tenor.
Zeit ist natürlich ein wichtiger Faktor - die sollte man sich für die Kinder nehmen: Denn was wird das Kind über uns - in der jeweiligen Mutter- oder Vaterrolle - denken, wenn es als Erwachsener über die eigene Kindheit urteilt?
Die Kontrolle über die eigene Lebenssituation bewahren - den Blick nach vorne richten. Davon profitiert nicht nur ein durch Streit belastetes Familiensystem. Die Trennung ist eine Zäsur: Aber alle haben ein Leben "danach": Das sollte sich dann an der Zukunft ausrichten und nicht in der Vergangenheit verharren."Vielleicht kommt die Programm-Erweiterung in Richtung ‚Patchwork-Familie` daher so gut an", vermuten die beiden Sozialpädagogen. "Das Leben geht weiter!"
Die nächste KiB-Staffel ist im Frühjahr 2017 geplant. Ehemalige Paare nehmen in getrennten Gruppen an den 7 Einheiten teil - vormittags oder nachmittags. Auch ohne den anderen Elternteil kann der Kurs besucht werden. Wie lange die Trennung zurückliegt ist dabei irrelevant. Anmeldung: Tel. 08551 585 60.
- cmg
Bildunterschrift:
rollenspiele..jpg: Stephan Unbehagen und Aloisia Rothenwührer helfen den Blick auf´ s Wesentliche zu lenken. Rollenspiele sind wesentlicher Bestandteil beim KIB-Training.