FRG. Seit Herbst 2018 bietet die Freyunger Caritas die Frühintervention für erstauffällige Drogenkonsumenten (FreD) an. Ziel ist es, Jugendliche zu motivieren, sich mit ihrem Konsum auseinander zu setzen. Geleitet werden die Kurse von Anna Neumair. Sie arbeitet in der Suchtberatungsstelle und hilft Menschen, ihre Abhängigkeiten abzulegen. Im PNP-Gespräch erzählt sie von den Gefahren des Marihuana-Konsums und wie man Risiken minimiert.
Wie entsteht einen Abhängigkeitvon Marihuana?
Anna Neumair: Beteiligt an der Entstehung von Abhängigkeitenist neben anderen Einflussfaktoren das Belohnungszentrum im Mittelhirn, welches die biologische Aufgabe hat, Lernen durch Belohnung zu ermöglichen. Der Körper produziert selbst eigene Cannabinoide und verfügt über ein eigenes Cannabinoidsystem. Dieses wiederum ist beispielsweise an der Regulierung von Emotionen, Stressreduktion und -verarbeitung und am Belohnungszentrum beteiligt. Vor allem regelmäßiger Cannabis-Konsum kann zu einer psychischen Abhängigkeit führen. Auch eine körperliche Abhängigkeit mit leichter Entzugssymptomatik wäre denkbar, wenn auch nicht so ausgeprägt wie bei einer Alkohol- oder Opiatabhängigkeit. Die psychische Abhängigkeit dagegen kann bei Cannabis sehr ausgeprägt sein. Die Gefährdung ist nicht für jeden Konsumenten gleich. Auch vorherige psychosoziale Faktoren beeinflussen die Entstehung von Abhängigkeiten.
#Wie viele Menschen sind von Marihuana abhängig?
Neumair: Der Konsum von Cannabislag im Jahr 2020/21 deutschlandweit bei 7,1 Prozent der Erwachsenen und bei 8,1 Prozentder Jugendlichen bezogen auf die letzten zwölf Monate. In Bayern liegen die Anteile riskanter und problematischer Konsumenten im Jugendalter bei sieben Prozent in den Großstädten und vier Prozent in den Landkreisen.
Was sind die Gefahren des Marihuana-Konsums?
Neumair: Neben negativ erlebten Wirkungen des Cannabiskonsums, wie Angst, Panikgefühle, Verwirrtheit und Verfolgungsideen, uferloses Durcheinander im Kopf und körperliche Beeinträchtigungen wie Schwindel, Herzrasen und Übelkeit gibt es auch Risiken, die insbesondere mit Dauerkonsum einhergehen.
Welche Risiken sind das?
Neumair: Bei dauerhaftem Konsum können sich eine psychischeund eine milde körperliche Abhängigkeit entwickeln. Weiter hat der dauerhafte Konsum eine Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit zur Folge. Außerdem kann regelmäßiger und intensiver Cannabis-Konsum mit sozialem Rückzug und zunehmender Interesselosigkeit einhergehen und das Risiko für Psychosen ist dabei um das 2,1-fache erhöht.
Häufig wird behauptet, dass Menschen, die konsumieren später auch von harten Drogen abhängig werden. Ist Cannabis tatsächlich eine Einstiegsdroge?
Neumair: Nur ein geringer Anteil der Cannabiskonsumenten steigt langfristig auf andere Drogen um.
Woran erkenne ich, dass ich abhängig bin?
Neumair: Ein Erkennungsmerkmal ist der erfolglose Versuch, den Konsum zu reduzieren oder einzustellen. Gerade die Tendenz zur Dosissteigerung ist bei Cannabiskonsum eher gering ausgeprägt. Die Kennzeichen für psychische Abhängigkeit hingegen treffen vermehrt zu: innere Unruhe, Nervosität, Depressionen und Ängstlichkeit.
Was können Menschen tun, um der Abhängigkeit zu entkommen?
Neumair: Es empfiehlt sich ein Gespräch oder ein erstes Telefonat mit einer Suchtberatungsstelle. Hierbei werden verschiedene Möglichkeiten eruiert, welcher Weg sinnvoll und hilfreich sein kann. Zum einen gibt es dabei die Möglichkeiten zur Entgiftungs- und Entwöhnungsbehandlung. Auch gibt es die Möglichkeit, sich einer lokalen Selbsthilfegruppe anzuschließen. Der/die Hausärztin kann ebenfalls erste Ansprechperson sein.
Kann man verantwortungsvoll konsumieren?
Neumair: Einen risikofreien Konsum gibt es nicht. Die Anwendung von Safer-Use-Regeln kann helfen, die Risiken zu minimieren. Vor allem jungen Menschen wird vom Konsum abgeraten, da hierbei das Risiko für Entwicklungsbeeinträchtigungen und das Abhängigkeitspotenzial höher sind. Ebenso wird Menschen mit psychischer Beeinträchtigung sowie Menschen mit Herz-Kreislauferkrankungen davon abgeraten, Cannabis-Produkte zu konsumieren.
Wie minimiert man das Risiko?
Neumair: Es ist wichtig, die Dosis zu beschränken, mehrere konsumfreie Tage pro Woche einzuhalten und nichts einzunehmen, das man nicht kennt. Mischkonsum sollte vermieden werden, da er zu Wechselwirkungen führen kann. Beim Umgang mit Maschinen - in der Arbeit und beim Autofahren - sowie in der Schwangerschaft und Stillzeit sollte kein Konsum stattfinden.
Quelle: PASSAUER NEUEN PRESSE vom 20-04-2022, Regionalausgabe: Freyung-Grafenau.
S. 19.
Ein Verzeichnis aller Drogen- undSuchtberatungsstellen finden Sie auf der Internetseite der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen unter www.dhs.de.
Außerdem gibt es die Sucht- und Drogenhotline unter 301805-313031 und die Telefonseelsorge 30800-1110111.